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Interview mit Markus Steiner über Abenteuer, Superlative, Freiheit & Glück

Markus Steiner ist Aussteiger, Abenteurer und Buchautor. Dabei schien Steiners Lebensweg vorbestimmt. Abitur in Bremen, Wirtschafts-Studium in Kiel und schließlich, nach einigen Reisen, Marketingmanager bei BMW in München. Ein gutbezahlter Job bei einem DAX-Konzern, Sicherheit und unbegrenzte Karrieremöglichkeiten. Trotzdem schmiss Steiner mit 37 hin, brach aus dem goldenen Käfig aus und stürzte sich ins Abenteuer.

Aktualisiert am 04.03.2022
Die Reiseblogger Biggi Bauer und Florian Westermann

Elf Fragen an Weltenbummler Markus Steiner

„Wir verschütten unsere Lebenszeit, weil wir Dinge tun, die wir nicht wirklich tun wollen“

In vierzehn Monate reise Steiner durch vierzehn Länder, ist zum Everest gelaufen, in Japan ohne Geld getrampt, hat in Thailand in einem Kloster meditiert und den australischen Kontinent mit dem Zug durchquert. Auf seiner Website Markus Steiner und seinem Blog Weltreisender.in bekommt ihr noch tiefere Einblicke in die Seele des Mannes, der den Sprung ins Ungewisse wagte. Sein Buch Weltherz – Von einem, der auszog, die Freiheit zu suchen*“ kommt bei Lesern und Kritikern an. Marco Polo schreibt über das Werk: „Ein außergewöhnliches Buch. Leicht, amüsant und voller Tiefgang“. Wir hatten das Glück, mit Markus sprechen zu können. Und nun Viel Spaß mit seinen Antworten.

Markus, du hast irgendwann den Entschluss gefasst, zu kündigen und auf Reisen zu gehen. Was war dein Schlüsselerlebnis?

Ein Schlüsselerlebnis gab es nicht. Aber eine Frage, die in meinem Kopf hämmerte. Die Frage nach meiner Sehnsucht. Die Frage: Was will ich wirklich? Wir dösen dahin. Wir verschütten unsere Lebenszeit, weil wir Dinge tun, die wir nicht wirklich tun wollen. Nach zehn Jahren im Büro und in einer stumpfen Welt, die sich nur noch für mehr Haben, Algorithmen und Apps aktualisieren zu interessieren schien, war es dringend Zeit für Aufbruch. Denn dafür wollte ich mein Leben nicht einbüßen. Ich wollte ein waches Leben. Mehr Wollen als Sollen. Uns beschäftigt die Frage, wie wir leben sollen. Nicht: Wie wir leben wollen. Und weil wir ewig dem schnellen guten Gefühl hinterher hasten, verwechseln wir Bequemlichkeit mit einem freien Leben. Mit dem Weltreisen und Schreiben bin ich eingestiegen – in mein eigenes Leben.

Markus Steiner
Buchautor und Abenteurer Markus Steiner

Wie einfach war es für dich, alles aufzugeben – nicht nur im Kopf, sondern auch in der Umsetzung?

Einfach. Weil ich diese verführerische Ahnung hatte: Der Zustand wird kreativ sein, mich reicher, mich klüger machen. Ich habe im August gekündigt, bin im Oktober los. Ich habe zum Beispiel nie an Dingen gehangen. Jeder Besitz kettet uns ja an Orte und an Jobs und an Menschen. Wir kriechen in die Tiefen der Abhängigkeit. Wir können uns beim Erstarren in einem Kokon betrachten. Aufzugeben, von dem ich mir aus Bequemlichkeit heraus einbildete, es sei mir wichtig im Leben – dass musste ich lernen. Mich darauf einzulassen, es auszuhalten. Das war beschwerliche innere Reise. Über jeden Horizont schießend. Doch Reisen ist Tonikum für den Kopf. Reisen ist Bewegung, ist Leben. Thomas Mann schrieb einmal über die Hauptzutat der Reiselust. Es sei die vibrierende Neugier nach nie erfahrener Menschlichkeit, schrieb Mann.

Bagan
Die historische Königsstadt Bagan in Burma (dem heutigen Myanmar) / Foto: Markus Steiner

Worauf muss man da achten, wenn man so was vorhat?

Man muss es machen, muss wollen, leben wollen. Ich habe beim Reisen eine irre Lust am Zufall gewonnen. Ich reise langsam und gelassen. Das Abenteuer soll mich finden können. Beides ist ja kaum noch erfahrbar, weil unser Leben vorausberechnet wird, von Technik abhängig ist. Zustände, die uns von der Natur entfremden, denen man sich kaum noch entziehen kann. Doch genau dorthin will ich flüchten, will verführt werden: von Orten, Landschaften und menschlichen Begegnungen, von Zuständen, die mir fremd sind, die mich berühren, mich bewegen, in denen ich ungefiltert Welt und Leben rieche, höre, schmecke. Jede Inspiration, jede schöpferische Arbeit atmet den Zufall, die Spontanität, die Improvisation. Manchmal sitze ich stundenlang oder gehe, schaue dann einfach und beobachte – bis ich in eine Situation kippe. Ich bin achtsam, benutze wieder Sinne und Gefühl. Ich vertraue wieder. Beim Reisen will ich einsammeln, was sich am Wegesrand tummelt: Unbekanntes und Unerwartetes, Schönes und Bereicherndes.

Gab es irgendwann mal den Moment, als du es bereut hast, alles aufgegeben zu haben?

Nein. Es gab den Moment, in dem ich begann zu fragen: Warum nicht früher? Es war in den Höhen des Himalaja, dort begriff ich. Und bestand fortan auf reichere Fragen. Und auf meine Freiheit. Warum Besitz anhäufen, warum Struktur raffen? Ich setze auf die Freiheit der Einfachheit. Eine Weniger-Freiheit. Die Freiheit selbst zu denken. Ich habe aufgegeben, zu glauben, ich müsse etwas besitzen, um frei zu sein, um Glück zu erfahren. Wir haben in unserem Überfluss verlernt zu improvisieren. Wie beunruhigend, wie berauschend – nichts zu besitzen. Nichts besitzen zu können.

Du hast tolle Touren gemacht, was war bisher dein Highlight und warum?

Ich denke nicht in Superlativen, ich denke in Momenten. Ich will Bilder, die sich bis zum Ende in mein Herz hineinbrennen. Meine Reisen erzählen vom Suchen und Finden der Fremde. Ich breche auf, um an fremden Orten von den Menschen zu lernen und von der Natur. Ich will Verbindung und Intimität. Ich will Innenwelt riskieren. Immer wenn ich in etwas stürze, von dem ich nicht weiß, was geht da vor sich, sinke ich in Momente, in denen ich mich lebendig fühle, wo meine Neugier tanzt.

Straßenszene in Burma / Foto: Markus Steiner

Gab es auch weniger schöne Erlebnisse?

Höhenkrank im Himalaja – war nicht so behaglich. Und in Delhi habe ich bei indischem Fieber die schlimmste Nacht meines Lebens überlebt. Da habe ich auch nicht gerade auf der Stimmungsdachterrasse Heiterkeit verschwendet. Dann war da diese Taxifahrt. Im Süden von Marokko, kurz vor der Sahara. Der Fahrpreis betrug nur 50 Cent. Doch der Fahrer wollte mich abzocken, das Wechselgeld nicht rausrücken. Am Ende dieser Nacht standen wir uns im Gegenlicht anderer Mercedes-Taxis wie in einem Boxring gegenüber. Alle warteten, was passieren würde. Eine Faust krallte sich in meinem Hemdkragen fest. Ich habe es überlebt. Der Fahrer auch. Eine Tasse Tee bügelt dann doch jede Welle glatt in Marokko.

Fühlst du dich denn jetzt frei?

Nach meinen Beobachtungen ist es mit der Freiheit wie mit dem Glück: Es ist flüchtig. Für jeden Frieden muss man kämpfen. Ich lebe von Tag zu Tag. Ich lebe frei. Weil ich mir die Zeit gekrallt habe. Sie gehört wieder mir. Jeder Augenblick. Ich lebe meine Freiheit, weil ich schöpferisch arbeite. Ich tue, was ich liebe: Reisen und Schreiben. Auf das Glück – so will es scheinen – haben sich alle geeinigt, das gilt es zu jagen. Ich finde, eine kluge Frage ist die nach einem kreativen Leben. Kreativität = Freiheit.

Wann wurde es klar für dich, dass du ein Buch schreiben wirst?

Auf der Reise habe ich unendliche Entdeckungen gemacht, vor allem auch über mich selbst gelernt. Das Schreiben war eine davon. Als ich aufbrach, gab es keine Pläne. Unterwegs begann ich zu schreiben, schrieb Tagebuch, dann erste Storys. Ich reiste vierzehn Monate durch vierzehn Länder – bin zum Everest gelaufen, in Japan ohne Geld getrampt, habe in Thailand in einem Kloster meditiert und den australischen Kontinent mit dem Zug durchquert. Immer traf ich unterwegs Menschen, die mich beeindruckt haben, weil sie sich auf das Leben und Überleben verstehen. Ihre Geschichten habe ich aufgeschrieben. Das Schreiben, die Schönheit des Schaffens, das Wunder, wenn etwas Kontur auf dem Papier bekommt, ist mein Traum. Dann, im Anschluss an die Reise, reifte irgendwann die Idee, aus den Tagebuchaufzeichnungen und Geschichten ein Buch zu machen. Mein Verlag Malik fragte danach.

"Weltherz" von Markus Steiner
„Weltherz“ von Markus Steiner

Du hast ja jetzt doch zwei feste Wohnorte, oder doch nicht? Braucht der Mensch denn einen festen Wohnort?

Die Frage – Wohnort oder kein Wohnort – impliziert, dass da Konkurrenz bestünde. Für mich ist wichtig, dass ich aufbrechen kann, wann ich will. Dass ich nicht festfriere. Ich bin ja auf der Flucht vor der Routine. It’s the little things that kill. Ich lasse mein Herz machen. Ich fühle mich beim Reisen zuhause. Und wo ich mich wohl fühle, bleibe ich. Klar, wenn man vierzehn Monate reist, wird man unterwegs mal müde, dann ist es gut, einen Platz zu haben, an dem man rasten kann, zur Einkehr, einen Ort der Stille. Und dann weiß ich irgendwann: Es ist wieder Zeit sich zu erneuern, der Aufbruch ist unausweichlich.

Wie verdienst du dein Geld? Wieviel brauchst du derzeit im Monat zum Leben?

Ich verdiene mein Geld mit kreativer Arbeit, die ich liebe: mit dem Schreiben. Ich schreibe Artikel, Reportagen und Bücher. Beim Reisen habe ich ausschließlich Geld für Gasthäuser, Essen, Transport ausgegeben. Und viel für Bakschisch, haha. Das hat sich seitdem nicht verändert. Alles beginnt mit weniger.

Was sind denn deine nächsten Projekte, die jetzt anstehen? Ein zweites Buch? Oder was kommt da?

Ach, müssen es immer Pläne sein? Ich bewohne ja weder ein Kästchen noch buche ich Pauschal. Ich weiß nicht, was kommen wird. Jeder Tag füllt sich, schwillt an. Und ich kann alles frei entscheiden. Immer mit dem Wunsch, dass der Tag mich überfällt mit dem glühenden Geschenk von Kreativität, Schönheit, Lebendigkeit. Dann gibt es dieses Gefühl, das mich irgendwann überkommt: Ich will wieder los. Dieses Hungergefühl nach Wirklichkeit und Verbindung. Mich diesem wunderbaren Gefühl aussetzen, nicht zu wissen, was kommen wird. Ein nicht wissen wollen. Von nichts und niemandem getrieben werden. Reisen und Schreiben dürfen. Ich bin gerade in Afrika unterwegs. Guinea Bissau. Umwerfend schöne Welt. Und im März und April komme ich nach Deutschland, lese aus meinem neuen Buch Weltherz – Von einem, der auszog, die Freiheit zu suchen*„.

Markus, vielen Dank für das spannende Interview!

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