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Ottawa Jail Hostel: eine Nacht im Knast

Der Holzboden, über den wir laufen, knarzt. Mit einem metallischen Ratsch fällt die dicke Stahltür ins Schloss. Beklemmung überkommt mich sofort. Es ist eng. Mehr als ein Bett passt nicht in die Zelle. Das wars. Mir steht eine Nacht im Knast bevor, genauer gesagt im Ottawa Jail Hostel.

Aktualisiert am 18.10.2023
Die Reiseblogger Biggi Bauer und Florian Westermann

So fühlt es sich hinter Schwedischen Gardinen an

Warum? Nun, keine Panik! Den Aufenthalt hier haben ich beziehungsweise wir uns selbst eingebrockt. Weder haben wir eine Straftat begangen, noch uns sonst Gefängnis-tauglich verhalten. Allerdings dachte Flos Dad, dass wir wirklich im Knast gelandet sind.

Natürlich konnten wir es uns nicht verkneifen ein paar Bilder aus dem Knast zu versenden. Was hat es aber mit den Bildern hinter Gittern auf sich? Nun, wir haben lediglich eine Nacht in einer Zelle gebucht. Freiwillig. Aus Neugierde.

Und da du bestimmt auch ganz schön neugierig bist, wie es uns im Knast im Ottawa Jail Hostel (hier kannst du dein Knast-Abenteuer buchen*) ergangen ist, erzähle ich dir, wie du ebenfalls eine Nacht im Gefängnis verbringen kannst und ob es sich lohnt. In Ottawa, in der Nicholas Street, kannst du wirklich in einem Gefängnis übernachten.

Das Ottawa Jail Hostel

Als wir auf das Gebäude zulaufen, wirkt das Ottawa Jail Hostel nicht wie ein Gefängnis. Die alten Mauern sind im Herbst von buntem Efeu überzogen. Vor der Haustüre stehen Stühle und Tische. Und dennoch war dieses alte Gebäude, das Carleton County Gaol, bis 1972 ein Gefängnis. Und zwar über 100 Jahre lang.

Alles begann 1862. Wie es in dem Gebäude mit alten Steinwänden und riesigen Metalltüren zuging, erzählen anschaulich die Tafeln, die an den Wänden angebracht sind. Sie berichten von einer Welt, in der wir lieber nicht leben hätten wollen. Und dennoch versprüht das Ottawa Jail Hostel noch immer den „Reiz“ eines Gefängnisses, was es für uns natürlich spannend machte.

Heute allerdings dürfen wir zumindest den Komfort eines Bettes und einer Gemeinschaftsnasszelle genießen. So klein wie früher sind die Zellen jedoch nach wie vor. Und mal ehrlich: da kann den einen oder anderen schon die Platzangst heimsuchen. Mehr Platz als für ein Bett und zum einmal umdrehen ist nämlich nicht. Aber jeder, der hier schläft, ist heute aus freien Stücken da, ganz sicher.

Biggi hinter Gittern
Ich bin gefangen, holt mich hier raus! Diese Gittertür war unsere Zimmertür
Der Eingang des Gefängnisses
Der Eingang des Jail Hostels ist mit buntem Efeu bewachsen
Flo in der Zelle
Der Gefangene von Askaban? Nein, es ist nur Flo in der Zelle
Flur im Gefängnis
Na? Kommt schon Gefängnis-Feeling auf?

So schläft es sich in einer Zelle

Wer genügend Raum bevorzugt und kleine Zimmer hasst, ist im Ottawa Jail Hostel fehl am Platz. So spannend es sich anhört in einem Gefängnis zu schlafen, so gering ist dann doch der Komfort. Die Zimmer befinden sich wirklich in den damaligen Zellen. Von der Einzelzelle bis hin zur Acht-Bett-Zelle kannst du alles buchen. Es gibt sogar einen Deluxe Double Room. Aber der kommt dann schon eher einem Hotel gleich statt einem Erlebnis.

Jede Zelle ist mit einem Namen eines Insassen versehen. Im „Zimmer“ selbst erfährst du dann auch, warum der Insasse einsitzen musste. Unsere Zelle wurde von John Jonese bewohnt. Seine Frau hatte ihn beschuldigt, nicht für die Familie zu sorgen und seine seltenen Verdienste lieber zu versaufen. Zack, bekam er eine Gefängnisstrafe von zwei Monaten aufgebrummt. Wir hoffen für ihn, dass er nicht im Winter einsitzen musste. Denn das konnte damals ultra kalt werden.

Waschräume teilst du dir mit allen „Insassen“ auf dem Flur – das Ottawa Jail Hostel ist und bleibt eben ein Hostel. Die Zellentür ist oben und unten offen. Lediglich in der Mitte ist sie geschlossen, was den Gästen ein wenig Privatsphäre bietet. Der Flur wird ebenfalls gemeinschaftlich genutzt. Es ist daher durchaus laut und hellhörig.

Ach ja, hellhörig ist es sowieso. Warum? Nun, das Gefängnis wurde so konzipiert, dass die Wächter alles und jeden hören konnten. Sogar ein Flüstern aus einer Zelle entging ihnen nicht. Da du heute in genau demselben Gebäude schläfst, ist das immer noch so. Und ich kann dir versprechen: ich habe auf Grund eines ambitionierten Pärchens in der Zelle auf unserem Flur in der Nacht eine Stunde kein Auge zu getan. Aber keine Angst, an der Rezeption des Jail Hostels gibt’s Oropax. Man sollte sie auf jeden Fall nutzen.

Au weia, welche Nacht steht uns denn da nun bevor?
Unsere Zelle
In Doppelzelle 602 haben wir die Nacht verbracht

So war es 1862 im Gefängnis

Eine Zelle war früher winzig klein, genauer einen Meter mal drei Meter, hatte Gitterstäbe statt einer Türe, kein Bett und keine Nasszelle. Wie auf den Infotafeln beschrieben, haben die kanadischen Gefängnisinsassen einiges mitmachen müssen. Unterkühlung und Erfrierungen waren normal im Winter. Eine Heizung gab es natürlich nicht. Und da die Insassen auch kein Bett hatten, lagen sie auf dem blanken Boden. Es gab kein Licht, keine Lüftung.

Als Toilette wurden Eimer verwendet. Man nannte sie damals „honey buckets“. Tagsüber wurden die Gefangenen aus der Zelle gesperrt und verbrachten ihre Zeit auf dem Flur oder im Hof. Eingesperrt wurden Männer wie Frauen und sogar Kinder. Aber auch Betrunkene, Obdachlose oder geistig Kranke. Aufzeichnungen aus der Zeit von 1889 bis 1898 erzählen, dass der älteste Insasse ein 87 Jähriger war und die jüngsten die Brüder Walter und Thomas. Sie waren sieben und neun Jahre alt.

Zellenschlüssel
Die Zellenschlüssel von früher sind an der Wand ausgestellt
Zellenschloss
Das Zellenschloss unserer Zelle – es ist immer noch in original Zustand
Alte Gegenstände im Gefängnis
Diese Utensilien hatten die Gefängnisinsassen früher in ihrem Sackerl
Flur im Hostel
So sehen die Stockwerke aus – jeder hat seine persönliche Zelle

Die Death Row

Ja, der Name hört sich schon gruselig an, oder? Im 8. Stock des Ottawa Jail Hostels befinden sich heute noch die sogenannten Death Rows. Das waren früher die Zellen, die für Gefangene reserviert waren, die bald hingerichtet wurden. Diese Zellen hatten fast schon Luxus. Sie waren zwei mal drei Meter groß. Die Insassen wurden von Zelle eins bis vier jedes Mal weiter versetzt, je näher der Termin der Vollstreckung rückte. Die Zelle vier war die am weitesten gelegene.

Somit musste der Insasse vor seiner Exekution an den anderen Zellen vorbeilaufen. Die Verurteilten kamen durch den Strang ums Leben. Damit der Insasse möglichst schnell starb, gab es Berechnungen, wie tief der Gefangene fallen muss, damit das Genick bricht. Nach diesen Tabelle wurde dann der Strick um den Hals geknüpft. In dem Gefängnis wurden übrigens „nur“ drei Menschen exekutiert. Neben unbekannten Bürgern starben auch bekannte Persönlichkeiten den Tod durch Hängen. Das letzte Mal wurde in Kanada im Dezember 1869 gehängt. Zwischen 1867 und 1962 wurden 1481 Menschen zum Tod verurteilt. 710 erhielten das Urteil hängen.

Zellengang im Gefängnis
Der Zellengang in den Death Rows ist schon unheimlich
Insassen des Gefängnisses
Diese Insassen wurden im Gefängnis gehängt
Zelle mit rotem Licht
Diese Gefängniszelle war eine der sogenannten Death Rows

Was bietet dir das Ottawa Jail Hostel?

Das Ottawa Jail Hostel bietet dir ein Erlebnis zum Übernachten. Du kannst auf kleinstem Raum nach empfinden, wie es so war oder ist im Knast zu schlafen. Das Frühstück ist im Preis inbegriffen, aber eher spärlich. Die Lage des Gefängnishotels ist einfach genial. Du bist fußläufig von Ottawas Sightseeing-Hotspots entfernt. Das Personal ist super freundlich und es werden tolle Aktivitäten angeboten. Zum Beispiel gibt das Hostel auch mal ein Dinner für die Gäste aus, es werden Video-Abende und Bar-Events veranstaltet und Get-Togethers abgehalten. Zudem bekommen Gäste des Ottawa Jail Hostels in ausgewählten Restaurants oder Bars in der Nähe Vergünstigungen.

Uns hat der Aufenthalt hier sehr gut gefallen. Mehr als eine Nacht würden wir jedoch nicht zubringen wollen. Da fehlt es dann doch an Privatsphäre und es ist in der Nacht wirklich laut. Dennoch können wir es nur empfehlen, weil es einfach Spaß gemacht hat, durch die Gänge und Stockwerke zu laufen und mehr über die Geschichte des alten Gefängnisses zu erfahren. Und wer kann schon von sich behaupten, in einer Zelle geschlafen zu haben. Wir können das jetzt. Ach ja: Jeden Morgen nach dem Check-out um 11 Uhr findet eine kostenlose Führung durch das Gebäude statt, bei der du noch mehr über das Ottawa Jail Hostel erfährst.

Parken im Ottawa Jail Hostel

Es gibt einige Parkplätze im Hinterhof des Hostels. Pro Nacht werden zwölf Dollar fällig. Für Ottawa ist das unschlagbar günstig. Der Platz ist aber begrenzt. Kommst du erst spät am Abend mit dem Auto, dürfte es knapp werden mit den Parkplätzen. Das gilt insbesondere an Wochenenden und an Feiertagen.

Gitterstäbe im Jail Hostel
Diese Gitterstäbe sehen schon ganz schön beengend aus, oder?

 

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4 Kommentare

  • Super cool! Das ist wirklich mal eine abgefahrene Übernachtungsmöglichkeit und ich kann mir total gut vorstellen, das auch mal zu machen. Kanada steht nämlich auch noch auf unserer Liste und allein wegen des Schockmoments, wenn ich meiner Familie oder Freunden so ein Bild schicken würde, wäre es so eine Übernachtung wert.:D Vielen Dank, dass ihr eure Erfahrungen hier so toll und ausführlich mit uns teilt – macht richtig Spaß, zu lesen und wird auf jeden Fall für die eigene Reise im Hinterkopf behalten!:)) Bin auf die nächsten Berichte gespannt!

    • Liebe Cora, danke dir sehr für den lieben Kommentar. Das freut uns natürlich. Und: Kanada würde dir super gut gefallen. Vor allem der Indian Summer hat uns echt geflasht! und ja, das Jail Hostel war echt ne krasse Erfahrung hehe

  • Wow, was für ein Abenteuer der besonderen Art. Da weiß man erst zu schätzen, was man zuhause und in einem handelsüblichen Standardhotel so alles für Komfort hat. Schöner Bericht und coole Bilder!

    • Hey Tobi, ganz lieben Dank für deinen super Kommentar. Oh ja, und wie man das dann zu schätzen weiß. Früher war das definitiv kein Spaß. Und heute? nun, so ne kleine Zelle geht denke ich mal für ne Nacht. Aber ne Woche würde ich mehr Freiraum brauchen. Für jüngere Leute ist es natürlich ne günstige (wobei die Preise auch nicht soooo günstig sind) Möglichkeit und geben den gewissen Kick…

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